Trend Downshifting – Aussteigen statt Aufsteigen
Wir leben in einer Gesellschaft, die auf Erfolg ausgerichtet ist. Schon in jungen Jahren wird uns eingetrichtert, dass wir in der Schule gute Leistungen erbringen sollen, um später bessere Aussichten auf eine vielversprechende Ausbildung oder ein Studium zu haben. Im Berufsleben angekommen, scheint es dann nur eine einzige Richtung zu geben – nämlich die Karriereleiter hinauf.
Doch ist man oben angekommen, sind immer mehr Arbeitende nicht glücklich oder dauererschöpft. Zu wenig Freizeit und Zeit für Familie und Freunde stehen dem Streben nach Karriere oft entgegen. Viele Berufstätige fühlen sich gefangen in der gesellschaftlichen Vorstellung von Karriere und haben das Gefühl nicht aus dem Hamsterrad ausbrechen zu können. Physische und psychische Probleme sowie schwerwiegende Erkrankungen können die Folge sein. Die Zahlen an Krankheiten, die auf beruflichen Stress oder Konflikten aus dem Arbeitsumfeld resultieren, steigen in rasantem Tempo an.
Downshifting – Was bedeutet das eigentlich?
Downshifting bedeutet so viel wie ‘Herunterschalten‘. Aus dem Hamsterrad ausbrechen und die Notbremse ziehen. Für viele Arbeitende ist es der letzte Ausweg, um die eigene Gesundheit zu schützen. In vielen Unternehmen stehen Stress, Hektik und auch Zeitnot an der Tagesordnung. Dennoch ist es für viele undenkbar, beruflich kürzer zu treten, denn dies kann in vielen Firmen erstmal das Aus für die große Karriere bedeuten. Für Downshifter steht hingegen nicht mehr der berufliche Erfolg, sondern eine ausgeglichene Work-Life-Balance im Mittelpunkt ihres Lebens.
Weniger Arbeiten und mehr Leben
Doch wie sieht so ein Downshift in der Praxis eigentlich aus? Downshifter entscheiden sich bewusst gegen den typischen Nine-to-five-Job, lehnen die nächste Stufe auf der Hierarchieebene ab und finden Erfüllung, indem sie tiefer oder einfach anders neu anfangen. Dazu kann gehören, dass beispielsweise Vorgesetzte zurück in die Position als Mitarbeitende ins Team wechseln oder dass eine Führungskraft wieder als Fachkraft arbeitet.
Auch der Rückzug aus dem Bürojob ins traute Homeoffice mit einem kleineren Aufgabenbereich oder die Entscheidung gegen die Vollzeit- und für die Teilzeitbeschäftigung kann ein Downshift sein – ebenso wie der Wechsel in eine andere Arbeitsform. Zudem werden flexible Arbeitszeitmodelle, Sabbaticals oder auch Möglichkeiten eines längeren unbezahlten Urlaubs immer beliebter. Der Schritt in die Selbstständigkeit kann ebenfalls ein Herunterschalten bedeuten, denn obwohl sich Arbeitszeiten im Unternehmertum oft nicht verkürzen, kann auch das Lösen aus einem Abhängigkeitsverhältnis – wie einer Anstellung – Entlastung und mehr Zufriedenheit bringen. Am Ende des Spektrums gibt es dann noch die sogenannten Aussteiger, die sich komplett gegen ein Berufsleben entscheiden.
Wer sind die Downshifter?
Eine Studie von makam Research ergab, dass mittlerweile drei Viertel der Personalverantwortlichen in Unternehmen den Trend zum Downshifting festgestellt haben. Laut einer Studie von Xing nahm bislang jeder zehnte Arbeitnehmende in Deutschland eine längere Auszeit vom Job und jeder Fünfte denkt über eine berufliche Verschnaufpause nach. Doch wer sind die Downshifter eigentlich? Grundsätzlich gibt es keine bestimmte gesellschaftliche Gruppe, die zu ihnen gehören. Zu ihnen gehören Erfolgstypen, die schon am Ende der Karriereleiter angekommen sind und von Geld und Karriere genug haben, ebenso wie junge Arbeitnehmende, wie die Gen Z, die einfach eine grundlegend andere Einstellung zum Thema Arbeit haben als noch Generationen zuvor.
Wie kann ein Downshift gelingen?
Wenn Arbeitende damit hadern, einen beruflichen Rückschritt für eine bessere Work-Life-Balance zu wagen, dann sollte dies das Resultat eines langen Prozesses der Selbstreflexion sein. Wichtig ist im ersten Schritt herauszufinden, ob ein Downshift tatsächlich der richtige Weg ist oder ob hinter der aktuellen beruflichen Unzufriedenheit vielleicht noch andere Motive stecken. Denn ein Spurwechsel auf der Berufsbahn kann sich auf viele Bereiche wie z.B. dem Einkommen oder auch den gewohnten Lebensstandard auswirken.
Sara Frenz, Mashup Communications
Arbeitnehmer:innen, die diesen Schritt wagen, müssen sich darauf einstellen, dass das eigene Umfeld diese Entscheidung vielleicht nicht immer hundertprozentig nachvollziehen kann. Möchte man beispielweise im selben Unternehmen bleiben, dann ist ein frühzeitiger Austausch mit Vorgesetzten wichtig, um zu schauen, ob gegebenenfalls eine neue Stelle geschaffen werden kann, die den veränderten Bedürfnissen gerecht wird. Für Bewerber:innen ist es entscheidend, in den Bewerbungsunterlagen und auch in den ersten Gesprächen offen und transparent zu kommunizieren, was die Vorstellungen von Arbeitszeit und Position sind.
Was bedeutet der Trend für Unternehmen?
Für Arbeitende ist Downshifting ganz klar als ein positiver Trend zu begreifen. Denn mittlerweile gilt es nicht mehr als Tabu ‚Nein‘ zu Stress und Karrieredruck und ‚Ja‘ zu einer gesunden Work-Life-Balance zu sagen. Für viele Unternehmen und Personalverantwortliche stellt Downshifting jedoch eine Herausforderung dar. Denn gerade angesichts des in vielen Branchen vorherrschenden Fachkräftemangels sind Unternehmen mehr denn je gezwungen, flexibel auf die Bedürfnisse von Arbeitnehmer:innen einzugehen, um Personal auch langfristig halten zu können.
Viele Branchen sind jedoch eine hohe Fluktuation oder auch den Umgang mit Teilzeitmitarbeitenden (noch) nicht gewöhnt. Während früher vorrangig Mütter in Teilzeit arbeiteten, sind heute auch viele Kinderlose nicht mehr gewillt 40 Stunden der Woche mit Arbeit auszufüllen. Umso wichtiger ist es, regelmäßig in den Austausch mit Mitarbeitenden zu gehen und abzugleichen, wie zufrieden sie mit den Bedingungen ihrer Anstellung sind und ob sich diese mit dem Leben außerhalb der Arbeit vereinbaren lassen.
Fazit: Positivtrend mit Potenzial
Für Berufstätige wird es zunehmend wichtiger, Arbeit auch mit einer gesunden Work-Life-Balance in Einklang bringen zu können. Tatsächlich gibt es für jeden ein optimales Arbeitspensum. Downshifter sensibilisieren auch andere Arbeitende dafür, die eigenen Befindlichkeiten zu hinterfragen und sorgen dafür, dass ein gesunder Umgang mit der Vorstellung von Arbeit und Karriere die Mitte der Gesellschaft trifft. Auch Unternehmen können vom Runterschalt-Trend profitieren, denn Mitarbeitende mit einer gesunden Work-Life-Balance sind zufriedener. Zufriedenheit wirkt sich nachweislich auch auf die Motivation und auf die Produktivität aus. Sind Angestellte mit ihrer Arbeit glücklich, dann ist auch die Identifikation mit dem Unternehmen größer und dies kann wiederum die Mitarbeiterfindung erleichtern. Krankheitsbedingte Ausfälle sind außerdem in Unternehmen wesentlich geringer, wenn Arbeitenden mehr Raum für Freizeit gegeben wird.