TOP

Ghosting in der Agenturwelt: Über respektlose Geister und fehlende Augenhöhe

Ja, es gab eine Zeit, in der auch ich Tinder genutzt habe (bevor ich meine zukünftige Frau über die Dating-App kennengelernt habe). Doch es war auch genau dieser virtuelle Ort, an dem ich meinen ersten Geistern begegnet bin: An einem Tag schrieb ich mit einer interessanten Person, am nächsten Tag löste sich dieselbe Person in Luft auf. Zurück blieb nur ein Gefühl der Enttäuschung, gemischt mit Selbstzweifeln und auch etwas Wut. Das Erschreckende daran? Geister sind nicht nur in der Welt der Partnersuche sehr präsent, sondern auch in der Geschäftswelt.

Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Zugegeben, für uns Menschen ist das vermutlich schon seit der industriellen Revolution der Fall, bestimmt auch schon vorher. Im Besonderen bekommt man diese Hochgeschwindigkeits-Ära in der Medienwelt zu spüren, vor allem, wenn es dann auch noch um Tech-Themen geht. Umso wichtiger ist deshalb ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander, um möglichst unbeschadet durch den Alltag zu kommen. Leider scheinen immer mehr Unternehmen sowie Einzelpersonen zu vergessen, dass Anstand, Respekt und Empathie Tugenden sind, um die man sich (vielleicht sogar am meisten) bemühen sollte. Aber holen wir etwas weiter aus

Die Zeiten ändern sich

Wir befinden uns derzeit an einem Wendepunkt. Massenentlassungen sind normal geworden, viele Unsicherheiten herrschen vor. Immer mehr Unternehmen stehen vor der Insolvenz, (Tech-)Unternehmen haben allein im letzten Jahr (2023) Zehntausende von Mitarbeitenden entlassen. Hinzu kommen mental und emotional belastende Themen wie Kriege und Inflation, ganz zu schweigen von den anhaltenden gesellschaftlichen Nachwirkungen von COVID-19. Und dann sind da natürlich noch der Klimawandel und das vermeintliche Ende der Welt. Es gibt in der Tat eine Menge zu verarbeiten und zu verkraften. Was uns zu der Frage bringt: Warum bemühen wir uns bei so viel Chaos, Verwirrung und Angst um uns herum nicht mehr darum, einander gut zu behandeln?

Als Kommunikationsagentur haben wir diesen „Trend“ vor allem in den letzten Monaten, aber auch tendenziell in den letzten Jahren erlebt. Ja, es gehört auch zu unserem Job, gelegentlich umsonst zu arbeiten (z. B. Pitches, die nicht zur Gewinnung neuer Kunden führen und die uns Geld in Form von Zeit kosten). Was aber nicht normal ist (und nie sein sollte) ist, wenn wir nach Abschluss unserer Arbeit „geghosted“ werden. Falls der Begriff nicht geläufig sein sollte:

„Ghosting“ beschreibt einen abrupten Kommunikationsabbruch,

der jeglicher Erklärung entbehrt.

In eher unverbindlichen Zeiten von Job-Hopping, Mögliche-Partner*innen-durch-Wischgesten-Aussuchen und kurzlebigen (Social-Media-)Trends mag dies nicht überraschen, aber es ist alles andere als ideal. Und vor allem: Es ist unnötig.

Leider kommt es aber immer häufiger vor. Potenzielle Kunden melden sich bei uns, da sie auf der Suche nach einer PR- und Kommunikationsagentur sind. Passt es thematisch und kapazitiv zu uns, setzen wir uns (meistens sogar gerne) an einen Pitch. Da in der Regel mehrere Agenturen vom Kunden angesprochen werden, besteht der Druck, nicht nur die bestmöglichen Ideen und deren Umsetzungen zu liefern, sondern dabei auch die Konkurrenz auszustechen. Und natürlich muss das alles immer „schnell, schnell“ gehen, wir haben ja alle keine Zeit. Im vorerst letzten Schritt fließt dann noch viel Energie in den eigentlichen Pitch vor dem Kunden, sofern es dazu kommt. Nach getaner Arbeit erhält der potenzielle Kunde unsere kreativen Früchte und entscheidet sich aus den unterschiedlichsten Gründen für oder gegen eine Agentur. Manchmal auch gegen alle – wir nennen es liebevoll „Agentur-Window-Shopping“, eine der respektlosesten Verhaltensweisen in unserer Branche.

Schaden auf beiden Seiten

Wie erwähnt, gehört Pitchen und Pitches verlieren dazu. Kein Problem. Das Einzige, was wir uns wünschen (und das sollte nicht zu viel verlangt sein) ist, dass das beauftragende Gegenüber zumindest den Anstand und das Rückgrat hat, den Agenturen abzusagen, die nicht überzeugen konnten. Auch proaktive Updates, dass sich eine Entscheidung noch etwas verzögert, werden dankbar angenommen. Fehler und Verzögerungen gehören zur menschlichen Natur und sind erstmal kein Problem. Leider gibt es aber immer mehr Personen und Unternehmen, die diese einfache, aber wichtige Maxime nicht beherzigen.

Ghosting ist aber nicht nur unhöflich und respektlos. Darüber hinaus kann ein solches Verhalten schnell zu Frustration, Unsicherheit und einem angespannten Arbeitsklima auf Seiten der Agentur führen. Fehlendes Feedback führt unweigerlich zu Fragen wie: „Was haben wir falsch gemacht?“, „War unser Pitch wirklich so schlecht?“, oder „Haben wir das Briefing nicht verstanden?“. Diese Erfahrung kann am eigenen Ego knabbern und auch Schäden hinterlassen. Dabei ist es ganz egal, ob dies in einem Unternehmen oder in einem persönlichen Umfeld, nach einem Pitch oder einem Dating-App-Swipe geschieht.

Die Folgen solcher Ignoranz haben aber nicht nur für Agenturen Konsequenzen. Auch der potenzielle Kunde samt dessen Ansprechpartner*in schaden ihrem eigenen Ruf. Ihr Image leidet, denn ja, auch wir unterhalten uns mit anderen in unserer Branche und tauschen Erfahrungen aus. Kommunikation ist nun mal unser Job. Außerdem trifft man sich ja bekanntlich immer mindestens zweimal im Leben. Seien wir ehrlich: Niemand hat Lust, für jemanden zu arbeiten, der unzuverlässig und geringschätzend ist. Dennoch lassen sich manche Leute trotzdem auf ein solches Verhältnis ein, diese Art von toxischen Beziehungen enden aber selten gut.

Für mehr Empathie und ein gesünderes Miteinander

Es ist durchaus möglich, dass es nicht zu einer Zusammenarbeit kommt. Ist ja kein Problem. Aber auch das kann freundlich – und im Idealfall sogar konstruktiv – kommuniziert werden, sodass am Ende beide Seiten etwas Positives daraus lernen können. Wie leicht sich das in der Praxis umsetzen lässt, zeigen die folgenden Beispiele:

  • Prinzip Augenhöhe:
    Offene und ehrliche Kommunikation ist King und Queen. So lassen sich Missverständnisse vermeiden, mögliche Konflikte frühzeitig lösen und Entscheidungen besser nachvollziehen.
  • Empathie und Rücksicht:
    Beide Seiten haben ihre Interessen und Bedürfnisse, auf beide sollte deshalb geachtet werden. Dann wird aus Zusammenarbeit schnell auch Win-Win.
  • Feedback und Wertschätzung:
    Lob und Anerkennung für gute Leistungen sind wichtig. Kritik an nicht zufriedenstellender Arbeit ist ebenfalls äußerst hilfreich, solange der Umgang respektvoll bleibt. Kleine Gesten wie ein Dankeschön können viel bewirken, selbst wenn es dann nicht mit der langfristigen Zusammenarbeit klappt.

Egal, ob man auf der Suche nach dem nächsten Liebesabenteuer oder einem zukünftigen Geschäftspartner ist: Werde nicht zu einem Geist! Wir sind alle erwachsen, wir können mit Absagen und schlechten Nachrichten umgehen, und wir lieben ein gesundes Rückgrat. Auf diese Weise stellen wir alle sicher, dass, auch wenn es im Moment vielleicht nicht passt, die Möglichkeit einer fruchtbaren Beziehung in der Zukunft bestehen bleibt – anstatt eines angespannten und vorbelasteten Verhältnisses. In diesem Sinne: Auf ein gutes und wertschätzendes Miteinander.

Autor: Kamal Nicholas

Laika ist spezialisiert auf die Kommunikation innovativer Ideen, mutige Unternehmer und schnell wachsender Technologien. Seit 2018 kreist die Agentur mit einem Team von fest angestellten Technikern im Orbit. Für spezielle Satelliteneinsätze greifen sie auf ein Freelancer-Netzwerk aus kreativen Köpfen, Strategen und Beratern zurück. Neben der klassischen Öffentlichkeitsarbeit bieten sie zahlreiche weitere Dienstleistungen wie Veranstaltungen, Fotografie, Influencer Relations, Content-Marketing, Markenstrategie, Krisenkommunikation oder Medien- und Sprechertraining an. Tech-Stars wie Chatterbug, ONO mobility, orderbird, Snapchat oder Twitch haben Laika auf ihre Mission geschickt.

Das Content- und Community-Hub Fairgency richtet sich an all jene, die eine faire Agenturwelt bereits heute gestalten. Sie teilen auf Fairgency ihre Erfahrungen und Expertisen mit denen, die diese Welt noch fairer machen wollen. Die Inhalte auf Fairgency werden von allen teilnehmenden Agenturen geschaffen, die sich zu unserem Manifest bekennen. Diese Insights wiederum bieten die Grundlage für eine Community, die offen über aktuelle Probleme, vergangene Herausforderungen und die Aufgaben der Zukunft spricht.

Post a Comment